Dodge Super Bee – Die Story

Bienenstich

Sie ist karg, böse und sehr sehr laut. Sie ist der reinste, klarste Ausdruck einer Idee – stand aber immer im Schatten ihrer Geschwister. Die Dodge Super Bee ist das Muscle Car schlechthin, die einzige Interpretation dieses Konzepts, die ernsthafter Prüfung stand hält. Die Super Bee ist Höhepunkt einer kurzen Blüte von Straßenmaschinen, die bis heute fast religiöse Gefühle wecken, und zugleich deren Ende…

Sie ist wahrscheinlich das letzte Auto, das ein Käufer am Freitag beim Händler frisch vom Transporter holen und Samstag beim nächsten Stock-Car-Rennen an den Start bringen konnte. Die Super Bee hatte die Kraft und die Herrlichkeit – und doch war sie eine frankensteinsche Kreatur aus Teilen anderer. Bei aller Brutalität war sie wesentlich beeinflusst von den nerdigen Brillenträgern einer Werbeagentur. Dass diese Burschen mit einem Marketing-Konzept die Essenz des Muscle Car einfingen, war nur ein Nebenprodukt, rein zufällig schufen sie Großes. Dies ist die seltsame Geschichte des letzten amerikanischen Helden.
Gestern noch turtelte eine züchtige Hausfrau mit ihrem Söhnlein auf einem Plymouth Belvedere. Gestern noch kritzelte eine adrette Jung-Kreative dezent gelangweilt ein Herzchen auf den Kofferraum eines Plymouth GTX. Gestern noch schnäbelte ein biederes Allerweltspärchen über einem anderen GTX und freute sich über seinen Bausparvertrag.
Vorbei. VORBEI! Das war DERMASSEN 1967 – aber heute, heute ist 1968, das Jahr der REVOLUTION!
Weggefegt sind die Biederleute, weg die starren Inszenierungen – jetzt LEBT das Auto, hat feuerspeiende Auspuffrohre und glotzende Scheinwerferaugen, gewaltige Räder wirbeln Tornados von psychedelisch buntem Staub auf: RUMPEL DONNER BRÜLL

1968 hat Chrysler ein Scat Pack, hat gewaltige Motoren, wilde Lacke, deftige Logos und überschwengliche Namen – und plötzlich ist Chrysler sexy, Plymouth aufregend und ein Dodge der Traum aller Halbstarken … Da kommt der SUPER BEE!

Brazzrazzrazz – eine gewaltige Biene dröhnt heran, die Erde erbebt unter dem Grollen und Ballern ihres Motors. Die Monsterbiene hat nichts dabei außer eben diesen Motor. Wer einsteigt, soll keinen Firlefanz zu erwarten, keinen Deko- oder Komfortkram, denn die Super Bee will nur eins: Gummi auf dem Asphalt! Sie trägt eine Biene als Emblem, die mit wirbelnden Rädern voranstürmt, Helm und Rennbrille auf, die Zähne in harter Entschlossenheit zusammengebissen. Die Super Bee trägt einen Doppelstreifen ums Hinterteil, und Kenner wissen: der gehört zum Scat Pack! Kenner wissen außerdem: Die 68er Super Bee gilt als Big Daddy des Scat Pack, die reinste Inkarnation des Mopar-Muscle-Car. Schaut euch an, was die anderen Scat-Pack-Autos im Logo ihrer Streifen tragen: eine Biene! Es ist nicht dieselbe, sie hat runde Brillengläser und grinst frech, aber die zwei rasenden Bienen sind zum Verwechseln. Welches die Ur-Biene ist? Das sagt doch der Name, oder?

Super Bee – das haben sich Marketing-Fuzzis ausgedacht, die selbst aussehen wie das brave Bürgervolk aus den 1967er Anzeigen. Das ganze Scat Pack, mit Dodge Charger und Plymouth Road Runner, basiert auf der Coupé-Karosserie mittlerer Größe, dem B-Body. Und wie also nennt man also das schärfste, reinste Muscle Car?

Die anderen kommen mit Komfort-Ausstattung und Options-Schnickschnack. Die Super Bee hat nix davon, nur dies: einen mittelgroßen 383er Block, dazu 440er Köpfe samt scharfer Nockenwelle, Vierfach-Vergaser und spezielle Krümmer, plus das verstärkte Fahrwerk aus dem Polizeiauto-Katalog … 335 PS! Und wer‘s wirklich wissen will, bekommt den 426er Hemi: 425 PS! (SAE – murmelt an dieser Stelle der deutsche Ingenieur, macht ungefähr ein Viertel weniger DIN-PS – na ja, lassen wir ihn murmeln.)
Auch da waren ursächlich wieder die Brillenheinis am Werk. Oder? Auch, aber eben nicht nur. Es gab auch clevere Ingenieure, die eine Vision entwickeln und umsetzen konnten, es gab junge Leute bei den Produktplanern, die nah genug an der Straße lebten. Irgendwie bekamen es die Jungen hin, die Alten einfach niederzuwalzen und ihnen ein Psychedelik-Pop-Streetfighter-Paket so clever zu verkaufen, dass sie es durch winkten, bevor sie überhaupt wussten, was los ist.
Klar, sie waren nicht alle auf Drogen, das Kalkül war unverändert vorhanden. Die Super Bee sollte möglichst billig sein, der einfachste Zugang zum nächsten Dragstrip – viel Wumms für wenig Dollar. Deshalb bekam sie die billigsten Sitzbezüge, die einfachsten Instrumente, schwarz-lackierte Stahlfelgen – die verchromten Radmuttern sind der einzige Zierat. Genie oder Zufall? Jedenfalls steht die Super Bee da wie ein Boxkämpfer mit verschnürten Handschuhen in Kampfhaltung, während die anderen Muskelburschen noch in seidenen Bademänteln herumstolzieren. Völlig klar, wer den ersten Treffer landen wird …
Und doch ist es immer wieder seltsam, über die Ursprünge der Super Bee nachzudenken: Seit 1951 tobte der PS-Krieg unter den US-Herstellern. Die Mainstream-Produkte waren ziemlich austauschbar – wenn man Kante zeigte, dann auf der Rennstrecke. Das ging einfach, das Rezept war simpel:

Man nehme ein Zweitür-Coupé, setze den größten Motor unter die Haube, den man rumliegen hat, pappe einen muskulösen Namen drauf und schon kommen die jungen Leute gerannt, die sich zehn Jahre früher noch in Hot Rods miteinander anlegten, aber inzwischen eine geregelte Arbeit haben, vielleicht Familie, und deshalb weniger Zeit, aber dafür mehr Geld. Rennsiege waren wichtig: Win on Sunday, sell on Monday.

Heute wie damals kauft niemand ein Auto wegen seines tollen Fahrwerks, aber 400 PS und 400 Kubikzoll – deswegen schon. Kein Wunder, dass die großen Marken den Einstieg in den Rennsport so einfach wie möglich halten wollten. Oder zumindest so tun, als sei er einfach. Zum Glück ging es nur ums Geradeausfahren, denn Fahrwerk und Antriebsstrang waren noch mehr oder weniger Stand 1951. So kam es, dass gewaltige Hemi-Erdbebenauslöser ihre Drehmomentgebirge auf zarte Siebenzoll-Diagonalreifen an Starrachsen mit Blattfedern wuchteten.
Chrysler blieb derweil die ewige Nummer Drei in der Detroiter Rangfolge, zeitlebens schwankend zwischen wilder Avantgarde und lähmender Gleichförmigkeit. Ein Stromlinien-Sicherheitsauto namens Airflow? 1937 in Spott und Schande untergegangen. Das Turbinenauto? 1965 aufgegeben weil völlig absurd. Virgil Exners Design-Exzesse waren mit ihm abgeschafft, und jetzt dümpelte Chrysler samt Töchtern vor sich hin: Plymouth – die Marke für alleinstehende Lehrerinnen fortgeschrittenen Alters. Dodge: bevorzugt gefahren von Gemeindepastoren … schnarch … dann wurde es 1968.
Es gibt Menschen, die heute noch diesem Jahr nachtrauern. Es muss was in der Luft gelegen haben damals, das konnte jeder spüren, der halbwegs jung war und nicht allzu verknöchert. Es war ein Jahr des Aufbruchs, der Umwälzung, die Menschen liefen rum wie elektrisiert. Manche fielen sich ständig in die Arme und sangen von Blumen, andere übersprangen das Vorspiel und legten gleich richtig los: The Summer of Love.
Dieses wilde Gefühl war weltweit zu spüren, überall waren die jungen Leute auf der Straße, alles schien möglich, freie Liebe, freie Bewusstseinserweiterung, oder einfach nur Freiheit. Selbst diejenigen US-Bürger, die für Blumenkinder nur Unkraut-Ex übrig hatten, durften am Aufbruch teilhaben, dafür sorgte Detroit – selbst wenn deren Aufbruchsehnsucht sich darin erschöpfte, viel Gummi auf die Straße vor der örtlichen Hamburgerbraterei zu legen.
In diesem tollen Jahr also brachte Chrysler die Dodge Super Bee. Dass es sie überhaupt gibt, lag an einer lange gepflegten Geschwisterfeindschaft zwischen den Chrysler-Divisionen Dodge und Plymouth. Letztere modelte den eher undefinierten GTX zum Road Runner um und schuf damit einen wahrlich bahnbrechenden Produktverbund: Cartoon und Auto, sämtliche Konnotationen, Image, alles passt perfekt zusammen. Großartig!

Da wurde man natürlich ein wenig neidisch bei Dodge, Charger hin oder her: Sowas wollen wir auch! Das war einfach, weil man im Prinzip nur weglassen musste: nimm einen Coronet R/T und zieh die Ausstattung ab.

Einzig die Abstimmung von Motor und Antrieb galt es auszutüfteln, Motorblock mit Nockenwelle und den Köpfen zu harmonisieren und Getriebe nebst Achse abzustimmen. So entstand der Super-B-Body, der inoffizielle Chef des Scat Pack.
Das übrigens war noch so eine Marketing-Masche, und da zeigt sich, dass die Nerds auch mal daneben liegen konnten. Scat Pack war die Bezeichnung für die schärfsten Mopar-Muscle-Cars (im ersten Jahr 1968: Charger R/T, Coronet R/T, Dart GTS, Swinger 340 und Super Bee). Gemeinsames Kennzeichen war der Streifen ums Heck, das Logo die grinsende Renn-Biene. Über den Namen selbst schüttelte schon damals die Presse den Kopf: Scat? Hä? Was will uns Chrysler sagen? Ganz offensichtlich lehnte man sich an das Brat Pack an, die notorische Entertainer-Combo um Frank Sinatra, damals auf der Höhe ihres Ruhms. To scat war US-Slang für „abhauen“, in Klammern: „unter Zurücklassung einer Gummi- und Staubwolke und klingelnden Ohren bei den Umstehenden.“ Leider steht scat in seiner alltäglichen Bedeutung aber für die Hinterlassenschaften von Wildtieren, was die Deutung „rasende Hasenköttel“ nahelegt. Räusper!
Aber EGAL! Es war schließlich 1968, das Scat Pack kam in psychedelischen Farben wie Go Mango oder Lemon Twist, oder im fabelhaften Plum Crazy. Die Anzeigen kippten ins Wilde, plötzlich traten die Autos auf wie von wüsten Hot-Rod-Künstlern gezeichnet, morphten ihre Formen und sandten wilde Farb- und Lichtblitze in eine Welt, die aussah wie im Beatles-Film „Yellow Submarine“.
Drei Jahre währte diese bunte, überschwengliche Mopar-Pracht. Aber mit den Blumenkindern war auch der Umweltgedanke in die Welt gekommen, und die Detroiter Donnerer ließen sich prima als obszöne Auswüchse einer völlig verfehlten Konzernstrategie anprangern. 1971 brach die Welle der PS-Monster, sie wurden leiser, sanfter, biederer – nicht auf einen Schlag, aber Mitte der Siebziger war es vorbei. 1970, zum letzten eigenständigen Jahrgang, bekam die Super Bee eine neue Nase, sicherlich prägnanter als die eher schlichte Coronet-Optik zuvor, aber mit seiner seltsamen Chrombrille eher befremdlich. Der 71er Jahrgang basiert auf dem Charger, diese Super Bee ist nicht mehr so scharf profiliert, weshalb sie auch da und dort als „Charger Super Bee“ geführt wird, also als Ausstattungsvariante.
Die Chrysler-Werbung kehrte in ihre alten, ausgetretenen Bahnen zurück, Nixon brauchte Geld für den Vietnamkrieg, kündigte den Goldstandard und bereitete den Boden für die nächste Revolution, die neoliberale des organisierten Kapitalismus. Und von heute betrachtet, von uns zynischen Kindern dieser letzten Revolution, scheint die Dodge Super Bee ein allzu durchschaubarer Marketing-Trick. Klar, das kommt uns bekannt vor: Detroit war schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts an einem Punkt, den die Autoindustrie inzwischen wieder erreicht hat: der Markt ist satt, die Technik ausgereizt, also schmeißt man die Autos mit Schnickschnack zu, lässt ihnen absurde Design-Geschwulste wuchern, den Rest besorgt das Marketing.
Und doch entstand mit der Super Bee etwas eigenes – die Alchemisten aus Produktstrategie und Werbung schufen versehentlich ein Goldstück von großer Reinheit, ein Auto, das mit einfachsten Mitteln Gewaltiges bewegen kann. Sie kann sonst nichts, will sonst nichts – aber in ihrem Fach ist sie brillant. Und das unterscheidet sie von heutigen PS-Heroen, die wollen alles, können alles – und sind gesichtslos wie Schaufensterpuppen.

SUPER BEE! Brazzrazzrazz ….

Die ganze Story mit Bildern in Ausgabe Nr. 31

-> hier im Benzinkiosk erhältlich